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Welches Krankenhaus schreibt seine Hygiene-Vorkehrungen nicht groß, welche Klinik will den sog. „medizinisch-technischen Fortschritt“ verpassen? Leider klettern jedoch auch die Ausgaben für Medizinprodukte vieler Krankenhäuser Jahr für Jahr in die Höhe. Auffällig dabei: Gerade in der letzten Dekade hat sich die Palette sog. „teurer Einweg-Produkte“ insbesondere in den operativen Fächern rapide ausgeweitet. Klinikon-Chef Roland Trefftz hat dafür wenig Verständnis – und zeigt im Folgenden auf, mit welchen Strategien ein respektabler Teil der Gesamtkosten teurer Einweg-Produkte gesenkt werden kann.

Der Gegenwert eines Smartphones wandert in den Abfall …
Wie notwendig sind Einweg-Produkte? Bei Verbandsstoffen, Spritzen und Kanülen sind sie mittlerweile selbstverständlich, bei OP-Abdeckungen bzw. -Bekleidung ein eindeutiger Trend, und sie halten auch mehr und mehr bei ehedem resterilisierbarem (in der eigenen Zentralsterilisation (ZSVA) aufbereitetem) Instrumentarium Einzug. Ähnlich wie in der Pharmazie ist hier aber die Grenze zwischen echtem Mehrwert und möglicher Scheininnovation fließend.

Dominierte in den 90er Jahren mit Etablierung der minimal-invasiven Chirurgie das klassische, wiederaufbereitbare Instrumentarium, geht die Medizinprodukte-Industrie heute verstärkt dazu über, unterschiedliche Materialien -insbesondere thermolabile Kunststoffe- einzusetzen, um eben eine Wiederaufbereitung dieser Instrumente zu erschweren oder gar zu vereiteln.

Die weitaus höhere Umsatzphantasie und damit verbunden auch die sehr viel höheren Entwicklungsetats großer Medizinprodukte-Hersteller führen auch dazu, dass gegenüber den klassischen Instrumenten ein echter funktioneller Mehrwert integriert wird. Welcher Operateur entscheidet sich nicht gern für ein Einweg-Produkt mit stark verbesserten funktionellen Aspekten? Chirurgische Schneide- und Koagulationsinstrumente (z. B. HF-Chirurgie-Geräte) sind hier ein gutes Beispiel. Derartige Einweg-Sonden kosten jedoch zwischen 200 – 300 € und wandern nach Gebrauch schlicht in den Abfall. Je nach Krankenhaus können sich die Gesamtkosten für diese Einweg-Sonden auf jährlich zwischen 40 T€ und 130 T€ addieren.

Welche drei grundlegenden Strategien zur Reduktion von Einwegprodukten bieten sich an?
Zum einen die Substitution auf (in der eigenen ZSVA) resterilisierbare Instrumente, zum anderen der Wechsel auf zumindest extern wiederaufbereitbare Produkte und wenn beides nicht realisierbar ist: Prozessalternativen zur Vermeidung von Einweg-Artikeln.

Die (Wieder-)Einführung intern wiederaufbereitbarer Instrumente ist sicherlich der nachhaltigste und i. d. R. auch kostengünstigste Weg. Dies setzt aber auch vom Operateur die größte Toleranz bzgl. geforderter Instrumenteneigenschaften voraus, muss er doch i. d. R. auf gewisse Eigenschaften des Einweg-Produkts verzichten. So kommen z. B. in der Arthroskopie verstärkt sog. „bipolare Elektroden mit integrierter Absaugung“ zum Einsatz (Einweg-Instrument): hier wird der Operateur zwischen dem Zusatznutzen der integrierten Absaugung und den erheblichen Mehrkosten des Einweg-Instruments abwägen müssen. Anders gesagt: fällt die Entscheidung des Operateurs für den operativen Zusatznutzen aus, fällt diese Alternative „Inhouse-Aufbereitung“ weg.

Eine wichtige Alternative zu teuren Einweg-Produkten bleibt die externe Wiederaufbereitung durch zertifizierte Dienstleister; hier dominieren derzeit zwei große Anbieter den deutschen Markt. Der externe Wiederaufbereiter bereitet diese Artikel im Auftrage des Krankenhauses auf und tritt somit an die Stelle der eigenen Zentralsterilisation.

Dem externen Anbieter stehen im Vergleich zur eigenen ZSVA eine größere Anzahl an Wiederaufbereitungsverfahren zur Verfügung (chemische, thermische, als auch strahlentechnische Verfahren und ihr kombinierter Einsatz). Diese können insbesondere bei Artikeln mit unterschiedlichen, thermolabilen Werkstoffen eingesetzt werden. Die Kosten bewegen sich dabei zwischen 30 – 80 € je aufbereitetem Artikel. Ein Einweg-Produkt kann dabei zwischen drei bis fünf mal extern aufbereitet werden – je nach Preis des Einweg-Artikels besteht eine potentielle Kostenersparnis von 40-65 %. Auch wenn diese externe Wiederaufbereitung somit medizinisch wie wirtschaftlich sehr interessant ist, so liegt die Quote extern aufbereiteter Artikel nach unseren Erfahrungen nur bei aktuell 40 % der betrachteten Einweg-Produkte. Dies erklärt sich aus den sehr aktiven Gegenmaßnahmen der Medical-Hersteller bei Ihren Einweg-Produkten. Die Spannweite reicht hier von der Produktverarbeitung (Klebemittel, die sich mit chemischer/thermischer Aufbereitung auflösen) bis zu aktiven Sperren wie der Implantation eines Chips, der die Sondenfunktion bei erneutem Anschluß an die HF-Konsole sperrt. Allesamt Versuche, sich vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen, die leider auch oft fruchten.

Der Wettlauf zwischen Herstellern und externen Wiederaufbereitern erinnert deutlich an das Rennen zwischen „Hase und Igel“…
So charmant die ersten beiden Strategien sind – sie scheiden oftmals aus, weshalb als dritte Strategie die Prüfung von Prozessalternativen mit dem verantwortlichen Operateur bleibt. Hierbei stellen wir zwei grundlegende Fragen: Gibt es alternative Verfahren, um eine zunächst geforderte Eigenschaft eines Einweg-Artikels durch diese Prozessänderung zu kompensieren? Ist es möglich, mit Medizintechnik-Herstellern ein alternatives Produkt mit geringerer Komplexität zu gestalten, das im Gegenzug auch in der eigenen ZSVA wiederaufbereitbar ist?

In der Schulter-Arthroskopie kann z.B. bei der sog. „beach-chair“-Lagerung des Patienten eine teure Unterarm-Manschette (Einweg, nicht aufbereitbar) zum Einsatz kommen. Bei einem Wechsel zur horizontalen Patienten-Lagerung wäre diese Manschette durchaus verzichtbar. Da eine alternative Lagerung vom Operateur ausgeschlossen wurde, wird derzeit in Kooperation mit einem Medizintechnik-Hersteller eine an das Lagerungssystem angepasste Unterarmschiene entwickelt und in Kleinserie (incl. notwendiger CE-Zertifizierung) hergestellt. Die Entwicklungs- und Investitionskosten dieser im Hause aufbereitbaren Schiene werden sich in weniger als vier Monaten amortisieren.

Welche dieser drei Strategien letztendlich erfolgreich ist, muss für jedes teure Einweg-Produkt separat geprüft werden.

Drei Etappen eines erfolgreichen Projekts
Zunächst erstellt Klinikon in Zusammenarbeit mit dem Operateur stets ein detailliertes Lastenheft der Produktanforderungen, in dem der Operateur auch seine Freiheitsgrade bezüglich der Produkt- oder Verfahrensalternativen definiert. Auf Basis dieser definierten Mindestanforderungen (und der eingeräumten Spielräume) werden dann die möglichen Alternativen sehr sorgfältig recherchiert. Ziel ist, der Klinik mindestens zwei Optionen zur Entscheidung vorstellen zu können. Abschließend folgen Testung, Bewertung und Umsetzung der favorisierten Option. Sollte keine dieser Optionen angenommen werden, heißt die Alternative: „Gehe zurück auf ‚Los‘“.

In jedem Projekt wird deutlich: Die wesentlichen Impulse, in diesem Bereich Kosten zu senken, müssen vom leitenden Operateur kommen. Oder anders gesagt: Wer meint, hier ein klassisches Einkaufsthema zu bewegen, irrt. Vielmehr handelt es sich um ein ganzheitliches Projekt der Klinik. Damit steht und fällt die Erfolgsquote jeder  Klinik mit der Bereitschaft der leitenden Operateure, sich mit den gemeinsam erarbeiteten Produkt- oder Prozessalternativen aktiv auseinanderzusetzen.

Wer dazu bereit ist, der wird ein solch anspruchsvolles, medizinisches „change management“-Projekt zum Erfolg führen und seine Kosten signifikant senken.

Roland Trefftz,
Klinikon GmbH